Website stellt Homeoffice-Sünder an den Pranger (2024)

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Anonyme Meldungen: Website stellt Homeoffice-Sünder an den Pranger

Auf einer Website können Arbeitnehmer ihre Firma melden, wenn sie sich nicht an die Homeoffice-Vorgaben hält. Unternehmen wehren sich gegen die Vorwürfe. Eine Falschmeldung kann juristische Konsequenzen haben.

Darum gehts

  • Auf einer Website kann man anonym seinen Arbeitgeber melden, wenn die Homeoffice-Regel nicht umgesetzt wird.

  • Eine Liste mit allen gemeldeten Firmen wird veröffentlicht.

  • Unternehmen wehren sich gegen die Vorwürfe.

  • Eine Rechtsexpertin und die Unia raten vom Online-Pranger ab.

Seit dem 18. Januar gilt in der Schweiz eine Homeoffice-Pflicht. Solange der Aufwand verhältnismässig ist, muss zuhause gearbeitet werden. Nicht alle Firmen haben diese Regel umgesetzt. Nun ist im Internet eine Website aufgetaucht, wo Schweizer Arbeitnehmer ihre Firma öffentlich anprangern können, wenn sie die Homeoffice-Regeln nicht korrekt umsetzen.

Die Betreiber des Online-Prangers wollen anonym bleiben, im Impressum wird die sogenannte «Initiative Homeoffice gegen Corona» mit Postfach in Bern genannt. Die Anfrage von 20 Minuten wird schriftlich beantwortet. Über ihre Motivation zum Einrichten der Website sagen die Betreiber, sie hätten anhand von Leserkommentaren und Social-Media-Posts gemerkt, dass sich nicht alle Firmen an die Homeoffice-Vorgaben halten.

«Wir wollen öffentlichen Druck auf die Unternehmen ausüben, die sich nicht an die Regeln halten.» Die Pranger-Betreiber informieren die Firmen über den Eintrag und entscheiden anhand der Rückmeldung, ob die Meldung plausibel sei. So wurde bereits einer der Vorwürfe auf der Website als eventuelle Falschmeldung markiert.

Whistleblowing kann zur Kündigung führen

Wenn in einer Firma die Homeoffice-Regel nicht umgesetzt wird, sollen die Arbeitnehmer zunächst versuchen, das Thema intern anzusprechen. Das sagt Martina Aepli, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht von MME Legal Tax Compliance. Nur wenn das nichts nützt oder wenn von vornherein klar sei, dass ein internes Verfahren erfolglos sein werde, können sich die Arbeitnehmer an eine zuständige Behörde wenden. Der Gang an die Öffentlichkeit soll gemäss Aepli immer der letzte Weg sein, wenn auch die Meldung bei den Behörden erfolglos geblieben sei und ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Publikation des Missstandes bestehe. Denn die Folgen einer öffentlichen Anprangerung können gravierend sein: «Ein solches Vorgehen kann – je nach den Umständen – eine Verletzung der arbeitsrechtlichen Treuepflicht durch den meldenden Arbeitnehmer darstellen. Die Konsequenzen können bis hin zu Kündigungen reichen.»

Auch die Betreiber des Online-Prangers müssen gemäss der Anwältin mit rechtlichen Folgen rechnen. Besonders im Fall einer Falschmeldung könnte ein Eintrag im Pranger zivil- oder strafrechtliche Konsequenzen wegen Persönlichkeitsverletzung oder übler Nachrede haben.

Die Pranger-Betreiber nennen auch gegenüber 20 Minuten ihre Namen nicht, bezeichnen sich jedoch als eine «Gruppe junger Menschen aus verschiedenen Branchen die sich aktiv für eine gleichberechtigte und faire Arbeitswelt einsetzen». Mit dem Pranger wollen sie den Unternehmen eine Chance geben, die Probleme selber zu lösen, bevor sie dem Arbeitsinspektorat gemeldet würden.

Seit Aufschalten der Website wurden bereits eine Handvoll Meldungen veröffentlicht, darunter mehrere Unternehmen aus der Finanzbranche, sowie ein Telekommunikationsunternehmen und eine Firma, die Maschinen für die Lebensmittelindustrie herstellt.

Auf die Meldungen im Pranger angesprochen, teilten die Firmen 20 Minuten mit, sie würden sich an die Vorgaben des Bundesrats halten. Manche dementieren die Behauptung, sie würden Homeoffice verweigern. Andere erklärten, dass aus operativen und technischen Gründen – etwa die Arbeit in einem Labor – bei einer Minderheit der Angestellten kein Homeoffice möglich sei.

Arbeitsinspektorat ist dankbar für jeden Hinweis

Die kantonalen Arbeitsinspektorate haben bereits Kontrollen in Büros angekündigt. «Wir gehen in erster Linie Meldungen nach, die bei uns eingehen», sagt Michael Mauerhofer vom Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Basel-Stadt zu 20 Minuten. Die Pranger-Homepage kenne man nicht, grundsätzlich sei man aber dankbar für jeden Hinweis und gehe je nachdem auch externen Meldungen nach.

Auch das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich teilt gegenüber 20 Minuten mit, man wolle die Website im Auge behalten. «Als Vollzugsbehörde können wir Informationen solcher privater Plattformen in diesem Zusammenhang aber nicht nachgehen.» Dafür müsse die Meldung an das Arbeitsinspektorat gehen sowie konkrete und plausible Hinweise enthalten.

Zuerst intern über Missstände sprechen

Serge Gnos, Mediensprecher der Gewerkschaft Unia, bezweifelt, das sich der Weg über den Online-Pranger für Arbeitnehmende lohnt. «Ich glaube nicht, dass ein Online-Pranger ein sinnvolles Mittel ist. Dann ändert sich die konkrete Situation vor Ort ja noch nicht; aber das ist ja das Ziel.» Sinnvoller sei es, wenn man intern bei Vorgesetzten oder bei der Personalkommission auf Missstände aufmerksam machen könne.

Wenn man Angst habe, sich intern zu melden, könne man sich auch anonym bei den Behörden melden. «Das Problem ist, auch schon vor Corona, dass die Arbeitsinspektorate nicht genügend Ressourcen haben, um allen Meldungen nachzugehen.»

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